Interview mit Alfred Ter-Mkrtchyan – Nationaltrainer Greco

"Die Olympiade ist um ein Jahr verlegt wurden, was für uns optimal ist."

Was macht ein Ringertrainer ohne seine Ringer?

Na ja, so kann man das natürlich nicht sagen. Momentan bin ich in Luzern bei meiner Familie. Familie und Sportler sind gesund, das ist sehr gut. Der Kontakt mit allen Ringern und dem Verband funktioniert.

 

Wie läuft die Kommunikation zwischen Dir, den Ringern und dem Verband ab?

Wer glaubt durch die Corona-Krise gibt es weniger Arbeit, der sei hier eines Besseren belehrt. Es gibt bei weitem mehr abzusprechen.

Wir mussten uns alle zu Beginn der Corona-Krise umstellen, dies hat etwa eine Woche gedauert, danach hatten wir ein Konzept, nachdem wir jetzt weiter verfahren. Wir kommunizieren über das Internet, mit den Ringern wird noch engerer Kontakt gehalten. Gut ist, dass alle Sportler dies auch so angenommen und akzeptiert haben, dies macht mir dadurch das Training und die Koordination nicht unnötig schwer.

Trainingsmethoden werden besprochen, Trainingsfehler abgestellt. Wir planen die nächsten Lehrgänge, wenn wir wieder aus dem Haus gehen dürfen. In Einzelgesprächen wird jedem Ringer sein Training bewertet und optimiert. Ich erhalte meistens Trainingsvideos, anhand dessen kann ich das Training auch optisch bewerten.

In der wöchentlichen STAFF-Videokonferenz werden verbandsinterne Themen besprochen. Was ich auch sehr gut finde, ist das „Webinar der Trainerbildung Schweiz“, durchgeführt von Swiss Olympic. Dieses findet wöchentlich am Dienstagabend von 19-20 Uhr statt. Dort werden Themen und Fragen diskutiert, welche Trainer im Schweizer Leistungs- und Spitzensport gerade in der jetzigen Corona-Phase unterstützen, ihnen Ideen und Inspiration geben sollen.

 

Wie ist der aktuelle Zustand der Elite/U23-Grecoringer?

Ich muss in dieser Zeit psychologisch viel mehr mit den Sportlern arbeiten. Da ich nicht Vor-Ort bei Ihnen sein kann, erfolgt dies alles über Telefon. Die außergewöhnliche Situation zehrt bei allen an den Nerven, ich bin also nicht nur der Trainer, sondern auch der Psychologe, Mentalist und Seelsorger, wenn man das so sagen kann.

Ich muss hier sehr empfindlich und vorsichtig vorgehen, möglichst ohne Druck die Athleten zu leiten und zu lenken. Fehler werden angesprochen, Wiederholungsübungen angeregt, aber dies alles etwas feinfühliger rübergebracht, das ist natürlich auch für mich eine besondere und auch dadurch ungewohnte Situation.

Jeder Trainer sollte empfänglich dafür sein, wie ein Sportler mental und psychisch gerade tickt, das Feedback vom Athleten richtig zu interpretieren ist hierbei besonders wichtig. Man darf auch nicht vergessen, dass die Schule weiterläuft – halt online. Also ist auch hier ein gewisser Tagesrhythmus vorgegeben. Bei den schulpflichtigen Sportlern geht es nach der Online-Schule mit den Hausaufgaben und dann mit dem Training weiter. Einige gehen zur Arbeit, andere Athleten können den ganzen Tag trainieren. Jeder Athlet hat seinen speziellen Trainingsplan.

 

Hast Du einen Mentaltrainer, der dich bei Deiner Arbeit unterstützt?

Die Elite- und auch schon die U23-Athleten haben fast alle einen eigenen Mental-Coach. Auch der Verband hat einen Mental-Trainer, der dem SWFE beratend zur Seite steht.

Trotzdem bin ich als Trainer immer die erste Ansprechstelle für die Ringer. Bereits während meiner aktiven Ringerzeit habe ich eine Unterstützung eines Mental-Coaches genutzt. Diese Verbindung besteht heute immer noch und wird von mir häufig genutzt.

 

Was oder wie trainieren jetzt die Ringer?

Es wird Grundlagen, Kraft und Kraft-Ausdauer trainiert. Wir machen Videoanalyse per Handy, die Athleten nehmen ihre Übungen auf und wir besprechen dann diese. Du kannst im Garten oder Haus trainieren, mit Steinen, Gummiseile sind optimal für viele Trainingsübungen (siehe Übungen auf Youtube oder Instagram).

Ich kenne Ringer in Moskau, die wohnen z.B. in einem Hochhaus und dürfen nicht raus, was machen sie – im Treppenaufgang sprinten sie die Treppe hoch und Treppe runter. Jeder muss seine Möglichkeiten nutzen.

 

Länderübergreifender Kontakt, ist das wichtig für Dich?

Bei mir geht das schon sehr lange, ich bin sehr häufig mit vielen Nationaltrainern in Kontakt. Einige internationale Athleten haben auch eigene Coaches. Wenn ich die Kommunikation dann für mich auswerte, kann ich einige Ringer anders einschätzen, als wenn keine Gespräche gelaufen währen, das ist kein Trick oder Geheimnis, sondern dient dazu entsprechende Lehrgangsmaßnahmen frühzeitig planen zu können. Wir haben über 17 Nationen, die sich an dem regelmäßigen Austausch beteiligen, ich würde es als Trainernetzwerk bezeichnen.

Die erwähnten Coaches trainieren ca. 140 Eliteringer aus ganz Europa. Innerhalb dieses Clusters finden die Absprachen statt. Auf einem Lehrgang werden z.B. standartmäßig immer drei Trainingseinheiten pro Tag durchgeführt, diese setzen sich aus den Gewichtsklassen 55-67 kg, 67-77 kg und 82 bis 120 Kilogramm zusammen. Dies muss man nicht mehr absprechen – es ist Standard.

 

Wie siehst Du die Zukunft der Greco-Kader?

Die Olympiade ist um ein Jahr verlegt wurden, was für uns optimal ist. Wir sind auf einem guten Wege, dieses eine zusätzliche Jahr zum weiteren Aufbau (Kondition, Technisch) nutzen zu können. Mein Greco-Team ist noch sehr jung, dann aber auch ein Jahr älter, ein Jahr reifer auch an ringerischer Erfahrung. Dazwischen laufen hoffentlich noch einige Turniere, die für uns sicherlich auch Früchte tragen werden.

2017 habe ich das Elite-Team mit 7 Ringern übernommen, mein jetziges Team ist motiviert, hat Freude an der Sportart und bildet eine homogene Gemeinschaft. Das erleichtert mir meine Arbeit und spornt mich jeden Tag von neuem an, alles für mein Team zu geben. Ich suche immer die Lücke, die ich als Trainer bearbeiten muss, wenn ich sie gefunden habe schließe ich sie – Step by Step.


[Foto: Alfred Ter-Mkrtchyan]

Autor: Falko SwissWrestling Medien